Body-focused repetitive behaviors (BFRBs)
"Body-focused repetitive behaviors" sind Körperbezogene repetitive Verhaltensweisen.
Dazu gehören Skin Picking, Hair Pulling (Haareausreißen), aber u.a. auch Fingernägelkauen, Wangenkauen oder Lippenbeißen. Nur für Skin Picking und Hair Pulling sind allerdings eigenständige Diagnosen anerkannt (Dermatillomanie und Trichotillomanie).
Trichotillomanie
(Pathologisches Haareausreißen)
Diagnose
Trichotillomanie (Pathologisches Haareausreißen)
engl.: "Trichotillomania (hair-pulling disorder)"
Trichotillomanie ist genau wie Dermatillomanie eine Zwangsspektrumsstörung und ist ebenfalls im DSM-5* als eigenständige Diagnose anerkannt. Die Diagnosekriterien sind denjenigen bei Dermatillomanie sehr ähnlich - nur, dass sich das Verhalten auf das Ausreißen von Haaren und nicht auf das Bearbeiten der Haut beziehen.
(*Das DSM-5 wird im US-amerikanischen Gesundheitssystem genutzt, um psychische Störungen einzuordnen. Es spielt aber auch in Deutschland eine große Rolle und wird insbesondere in der Forschung verwendet.)
Als Kriterien für das Vorliegen einer Trichotillomanie sind folgende Kriterien festgelegt worden:
- Wiederholtes Ausreißen von Haaren, das zu Haarverlust führt
- Erfolglose Versuche, das Ausreißen der Haare unterbinden
- Das Ausreißen der Haare verursacht Leiden und Einschränkungen im sozialen oder beruflichen Bereich
- Das Ausreißen der Haare ist nicht ausschließlich Folge einer medizinischen Ursache und ist nicht besser durch eine andere psychische Störung zu erklären
Trichotillomanie ist im Gegensatz zu Skin Picking bereits im aktuell gültigen Diagnosesystem, dem ICD-10 (International Classification of Diseases) als eigenständige Störung anerkannt. Hier ist das Störungsbild aber noch bei den Impulskontrollstörungen aufgelistet.
In der kürzlich verabschiedeten neuen Auflage des ICD (ICD-11), ist Trichotillomanie ebenfalls den Zwangsspektrumsstörungen (innerhalb der Unterkategorie "Body-focused repetitive behavior disorders" - Störungen mit Bezug auf repetitives körperbezogenes Verhalten) zugeordnet.
Trichotillomanie zeigt sehr viele Gemeinsamkeiten mit Dermatillomanie (Link). Die meisten Inhalte im Skin Picking Artikel treffen auch auf Trichotillomanie zu.
Trotzdem in Kürze hier die wichtigsten Informationen im Überblick:
Symptome
Verhalten: Haareausreißen
Personen mit Trichotillomanie reißen sich selbst wiederkehrend Haare aus und können das Verhalten nicht unterbinden, obwohl sie sehr unter dem Haareausreißen und seinen Folgen leiden. Am häufigsten werden die Haare an der Kopfhaut sowie Augenbrauen und Wimpern ausgerissen. Generell können aber alle Körperstellen betroffen sein, wo Haare wachsen.
Üblicherweise werden die Haare vorher befühlt und auch mit den Augen abgesucht. Ausgerissen werden dann oft ganz bestimmte Haare, die sich z.B. in ihrer Farbe oder Struktur von den anderen Haaren unterscheiden. Mit den ausgerissenen Haaren wird danach oft "gespielt" (z.B. zwischen den Fingern gerollt). Manche Personen beißen auch auf den Haaren herum oder schlucken sie herunter.
Am häufigsten werden die Finger zum Ausreißen der Haare benutzt, manchmal kommen aber auch Pinzetten zum Einsatz.
Es ist sehr unterschiedlich, wie viel Zeit Personen am Tag mit dem Haareausreißen verbringen. Das unterscheidet sich nicht nur zwischen Personen, sondern kann auch bei einer Person von Tag zu Tag und je nach Umständen verschieden sein.
Meistens kommt es zum Haareausreißen, wenn Betroffene alleine sind. Das Verhalten kann bewusst, aber auch unbewusst auftreten! Wie bei Skin Picking tritt das automatische, unbewusste Verhalten oft bei passiven Tätigkeiten (wie z.B. beim Fernsehen, Lesen) auf. Das bewusste (auch "fokussierte") Haareausreißen wird z.B. durch Anspannung oder unangenehme Gedanken ausgelöst. Die meisten Betroffenen zeigen sowohl bewusstes als auch automatisches Haareausreißen. Die Übergänge sind zudem fließend!
Die einzelnen Umstände und "Risikosituationen" sind denjenigen bei Dermatillomanie sehr ähnlich bzw. fast gleichzusetzen. Der Übersichtlicheit zuliebe auch hier noch einmal aufgelistet:
Umstände: Wann es dazu kommt
Die genauen Situationen sind von Person zu Person natürlich ganz unterschiedlich, aber es gibt einige "Risikosituationen" und Auslöser (auch "Trigger" genannt) die viele Betroffene gemeinsam haben:
Passive Tätigkeiten
- Fernsehen
- Lesen
- Lernen
- Warten
- Telefonieren
- Am PC arbeiten/surfen
- Autofahren
Routinesituationen
- Morgendliche oder abendliche Badroutine
- Zu Hause ankommen
Orte und Gegenstände
- Couch
- Schreibtisch
- Badezimmer(-spiegel)
- Andere Spiegel in der Wohnung
- Haarebürste, Pinzette
Innere Auslöser
- Anspannung, Unruhe, Nervosität
- Langeweile
- starke negative Emotionen (z.B. Angst, Ärger, Wut)
- starke positive Emotionen (z.B. Aufregung, Freude)
Warum sind diese Umstände "Risikosituationen"?
Taktile Reize
Den passiven Tätigkeiten (z.B. Fernsehen, Lesen) ist gemeinsam, dass die Hände nicht beschäftigt sind. Dann kommt es oft automatischen Befühlen der Haare. Dies gilt auch für bestimmte Orte und Körperhaltungen (z.B. am Schreibtisch sitzen und den Kopf aufstützen). Tastsinn und taktile Auslöser spielen hier also eine große Rolle.
Visuelle Reize
Andererseits kommt es an bestimmten Orte oder in bestimmten Situationen zum Ausreißen der Haare, wenn die Haare genau mit den Augen abgesucht werden können (z.B. in einem Spiegel). Situationen im Bad sind für Betroffene daher oft schwierig.
Innere Auslöser
Zuletzt spielen innere Auslöser eine große Rolle. Sich die Haare zu raufen oder sich am Kopf zu kratzen, wenn man scharf nachdenkt oder etwa nervös oder aufgebracht ist, kennt jeder. Auch das Nägelkauen als nervöse Angewohnheit ist nichts Neues. Solche auf den eigenen Körper bezogene Verhaltensweisen scheinen eine gewisse beruhigende Wirkung zu haben.
Es kommt also häufig auch dann zum Haareausreißen, wenn Anspannung oder starke Gefühle empfunden werden. Das Haareausreißen hilft dann zunächst, die Anspannung zu regulieren und sich abzulenken. Dieser positive Effekt hält aber nur kurz an, da sich nach - und schon während - dem Haareausreißen oft Selbstvorwürfe und Schuldgefühle einstellen.
Bericht einer Betroffenen
Tina, 32 Jahre
"Es gibt ganz typische Situationen, in welchen ich mir die Haare ausreiße. Meistens wenn ich am Computer sitze und arbeite, dann bin ich sehr konzentriert, aber mein Körper ist passiv. Oder auch, wenn mich etwas sehr beschäftigt und ich in meinem Gedankenkarussell gefangen bin. Ich mache es sehr oft, wenn ich gestresst, angespannt und nervös bin. Aber es passiert auch beim Telefonieren, Lesen und Fernsehen und manchmal auch beim Autofahren, wenn die Ampel zu lange auf Rot steht. Ich glaube, dass ich in diesen Momenten entweder über- oder unterstimuliert bin und dann wandert meine linke Hand fast ganz automatisch zum Kopf und beginnt die Haare zu abzusuchen, also zu scannen. Ich suche nach den „guten“ Haaren. Bei mir sind das welche, die uneben und gekräuselt sind. Dies kann manchmal eine Weile dauern, bis ich das einzelne richtige Haar gefunden habe und manchmal finde ich sogar eine Stelle, wo es ganz viele davon hat. Wenn ich dann eins auserkoren habe, reiße ich es mit zwei Fingern aus. Das Gefühl, dieses „plopp“, ist so angenehm und entspannend. Am besten ist es, wenn dabei noch ein Teil vom Follikel oder der Wurzel dabei ist. Ich schaue mir das Haar an und ziehe es dann durch die vorderen Schneidezähne und wenn der Follikel oder die Wurzel noch daran war, ziehe ich diese dabei mit den Zähnen ab. Ich spiele dann noch eine Weile so weiter mit dem Haar, bis es sich verbraucht anfühlt. Dann werfe ich es auf den Boden und das Spiel beginnt von vorne. Meistens ist das Verhalten so unbewusst, dass mir erst danach die vielen Haare auf dem Boden auffallen. Ich befinde mich wie in einem tranceähnlichen Zustand. Manchmal merke ich es aber auch, während ich am Reißen bin. Dann ist der Drang aber schon so stark, dass ich es nicht mehr unterbrechen kann. Obwohl ich weiß, dass ich mich danach schlecht fühle, muss ich immer weiter machen, wie eine Sucht. Im Nachhinein entsorge ich die Haare im Müll, dann schäme ich mich sehr und fühle mich schuldig."
Scham und Schuldgefühle
Personen mit Trichotillomanie leiden auf ganz ähnliche Weise und haben mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen, wie es bei Personen mit Dermatillomanie der Fall ist (daher die fast gleichen Texte):
Schuldgefühle
Betroffene bekommen oft zu hören "Hör' doch einfach damit auf! ... dann wachsen Deine Haare wieder nach!"
Doch so einfach es auch klingt, so vernichtend sind diese Worte. Denn es ist nicht einfach - und der Umstand, dass es oft einfach nur für eine schlechte Angewohnheit gehalten wird, macht es nur schlimmer.
Meistens durchleben Betroffene diese Gedanken selbst: Sie halten das Ausreißen der Haare oft erst selbst für eine schlechte Angewohnheit, die sie einfach nicht ablegen können. Sie reißen immer weiter Haare aus, obwohl sie mit den Konsequenzen leben müssen - und trotzdem können sie es nicht lassen. Die Folge sind große Schuldgefühle und Selbstvorwürfe (z.B. "Du bist zu schwach und undiszipliniert. Wenn Du Dich mehr anstrengen würdest, könntest Du aufhören.")
Wenn Betroffene "einfach aufhören" könnten, würden sie es tun.
Scham
Betroffene reißen üblicherweise dann, wenn sie alleine sind - denn die meisten schämen sich sehr dafür.
Die Angst vor den Reaktionen der Umwelt ist so groß, dass kahle Stellen oft mit großem Aufwand verdeckt werden - z.B. mit entsprechenden Frisuren oder Haarteilen. Die kahlen Stellen zu verstecken ist aber nicht immer möglich und nicht selten ziehen sich Betroffene deswegen zurück - schweren Herzens lehnen sie Ausflüge mit Freunden ab oder sagen Verabredungen ab.
Selbstwertgefühl
Scham und Schuldgefühle setzen dem Selbstwertgefühl sehr zu.
Dazu kommt oft das Gefühl schwach und undiszipliniert zu sein, weil das Haareausreißen nicht kontrolliert und nicht "einfach unterlassen" werden kann.
Auch der Haarverlust belastet das Selbstbewusstsein - Betroffene leiden sehr unter den kahlen Stellen.
Ich hoffe, es ist klar geworden, mit welchem Leidensdruck Trichotillomanie einhergeht. Fast alle Betroffenen kennen Gedanken wie:
- "Ich bin doch selbst daran schuld."
- "Andere werden es eklig finden und mich ablehnen, wenn sie es herausfinden."
... und man kann sich vorstellen, wie belastend diese Gedanken und Selbstvorwürfe sind. Umso wichtiger ist es, ohne Wertung, dafür aber mit viel Verständnis auf dieses Thema zu reagieren! (Mehr dazu bei den Infos für Angehörige).
Prävalenz
Aktuell wird davon ausgegangen, dass etwa 1-2 % der Jugendlichen und Erwachsenen an Trichotillomanie leiden (DSM-5). Die Angabe bezieht sich auf die sogenannte 12-Monatsprävalenz - also auf die Anzahl der Fälle innerhalb eines Jahres.
Eine gerade erst erschienene, große repräsentative Studie aus den USA berichtet eine Punktprävalenz von 1,7 % bei Erwachsenen (Grant, Dougherty und Chamberlain, 2020).
Frauen sind häufiger von Trichotillomanie betroffen als Männer - zum genauen Geschlechterverhältnis gibt es aber teilweise sehr abweichende Studienergebnisse. Im DSM-5 ist ein Verhältnis von 10 zu 1 angegeben.
Beginn und Verlauf
Trichotillomanie beginnt häufig mit oder nach der Pubertät und verläuft ohne Behandlung üblicherweise chronisch. Wie bei Dermatillomanie können die Symptome über die Zeit jedoch stark schwanken (DSM-5).
Das Ausreißen der eigenen Haare kann auch bei Kleinkindern auftreten. Bei den meisten Kindern verschwindet das Verhalten in der frühen Entwicklung aber wieder von selbst.
Ursachen
Aktuell gibt es noch kein umfassendes Erklärungsmodell, das allgemein anerkannt wäre. Es gibt aber inzwischen viele Anhaltspunkte, welche Faktoren möglicherweise zur Entstehung von Trichotillomanie beitragen.
Hier ein Überblick über einige der untersuchten Faktoren und Studienergebnisse:
Psychische Faktoren
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Trichotillomanie wird dem Thema Emotionsregulation (also dem Umgang mit Emotionen) zugeschrieben. Auch hier ähneln sich Skin Picking und Trichotillomanie sehr. Es wird angenommen, dass das Haareausreißen z.B. ausgeführt wird, um unangenehme Erfahrungen und Gefühle vermeiden. Dadurch entsteht kurzzeitig Erleichterung, die dazu führt, dass das Verhalten immer wieder gezeigt wird.
Darüber hinaus liegen auch Studienergebnisse vor, die zeigen, dass Personen mit Trichotillomanie im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen größere Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen aufweisen (Shusterman et al., 2009).
Es kommt beim Haareausreißen und Skin Picking üblicherweise zu einem ähnlichen Ablauf:
Da das Ausreißen der Harre zum Abbau von Anspannung führt, wird das Verhalten erst einmal verstärkt (belohnt) und wird so auch auf Dauer aufrechterhalten: Man hat gelernt, dass man damit Anspannung abbauen kann (-> gutes Gefühl) und macht es dann beim nächsten Mal wieder, um wieder Spannung abzubauen. Allerdings hält diese Erleichterung nur kurzfristig, weil durch das Haareausreißen auch wieder negative Gefühle (z.B. Schuld, Scham, Ärger) entstehen. Durch die negativen Gefühle kommt es wiederum zu Anspannung und wieder zum Ausreißen von Haaren - ein Teufelskreis, der oft dazu führt, dass die einzelnen Episoden noch schwerer unterbrochen werden können (Anspannung - Haareausreißen - Selbstvorwürfe - Anspannung - Haareausreißen ...).
Es wurde auch eine Theorie vorgeschlagen, nach der das Haareausreißen auch genutzt wird, um negative Emotionen zu regulieren, die insbesondere durch Perfektionismus bzw. der Unfähigkeit sich zu entspannen, entstehen. Der Gedanke dahinter ist, dass Perfektionismus oft zu Frustration, Unzufriedenheit und Ungeduld führt und dass vor allem auch Langeweile negative Emotionen hervorruft, da man in dieser Zeit nicht produktiv ist (O'Connor et al., 2003).
Biologische Faktoren
Genetik
Mehrere Studien legen nahe, dass Trichotillomanie zu einem gewissen Anteil auch genetisch bedingt sein könnte. Dafür spricht u.a., dass Trichotillomanie gehäuft innerhalb von Familien auftritt (Keuthen et al., 2014)
Neurophysiologie
Erste Befunde von MRT Studien weisen darauf hin, dass bei Personen mit Trichotillomanie im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen eventuell veränderte Gehirnstrukturen und neuronale Aktivierungsmuster vorliegen.
Studienergebnisse (nicht vollständig!):
Uhlmann et al. (2020): vergrößertes Volumen der weißen Hirnsubstanz im Gyrus parahippocampalis und im Cerebellum.
Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass diese Veränderungen womöglich einer beeinträchtigten Kommunikation zwischen Cortex und Cerebellum vorausgehen und dazu führen, dass das Haareausreißen schlechter kontrolliert werden kann.
Grachev (1997): reduziertes Volumen im Gyrus frontalis inferior, erhöhtes Volumen im rechten Cuneus.
O'Sullivan et al. (1997): reduziertes Volumen im linken Putamen
Keuthen et al. (2007): reduziertes Volumen im Cerebellum
Chamberlain et al. (2008): größere Dichte der grauen Materie in spezifischen Hirnregionen, die mit Emotionsregulation und motorischen Gewohnheiten im Zusammenhang stehen
Chamberlain et al. (2010): Veränderungen in der weißen Hirnsubstanz
Die Studienergebnisse beziehen sich jeweils auf Personen mit Trichotillomanie im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen.
Wichtig: Es wurden bislang immer noch zu wenige Studien (mit zu wenigen Personen!) durchgeführt!
Andere BFRBs
Im Überblick
Lippenbeißen
Beißen und Kauen der Lippen
Zungenkauen
Kauen der Zunge, vor allem an den Rändern
Wangenkauen
Beißen und Kauen der Wangenschleimhaut (Morsicatio buccarum)
Nägelkauen (Onychophagie)
Kauen der Finger- und/oder Zehennägel
Onychotillomanie
Schädigendes Bearbeiten der Finger- und/oder Zehennägel
Dermatophagie (Hautessen)
Essen von Hautstückchen (z.B. Nagelhaut beim Fingernägelkauen oder Wundschorf bei Skin Picking)
Trichophagie:
Essen von Haaren, häufig bei Trichotillomanie vorkommend
Trichotemnomanie (Haareschneiden):
Zwanghaftes Schneiden der eigenen Haare
Abgrenzung?
Die einzelnen BFRBs sind nicht klar von einander abgegrenzt, sondern überschneiden sich häufig! Lippenbeißen und Wangenkauen werden z.B. manchmal zu Dermatophagie gezählt. Nägelkauen hängt ebenfalls häufig mit Dermatophagie zusammen. Auch die Abgrenzung zu Skin Picking ist nicht immer klar. Oft zeigen Personen auch mehrere BFRBs gleichzeitig.
Diagnose
Im seit Januar 2022 gültigen ICD-11 werden diese Verhaltensweisen in derselben Kategorie wie Dermatillomanie und Trichotillomanie eingeordnet. Sie stellen darin aber keine eigenständigen psychischen Störungen dar. Es kann dafür aber die Diagnose "Andere spezifizierte Störung mit Bezug auf repetitives körperbezogenes Verhalten" vergeben werden.
Wichtig:
Körperbezogene Verhaltensweisen sind weit verbreitet und nicht unbedingt Teil einer psychischen Störung! Es kommt immer auf das Ausmaß des Verhaltens an - und in erster Linie auch darauf, wie sehr eine Person darunter leidet!
Literatur
American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders: DSM-5 (5th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Publishing.
Chamberlain, S.R., Hampshire, A., Menzies, L.A., Garyfallidis, E., Grant, J.E., Odlaug, B.L., Craig, K., Fineberg, N., Sahakian, B.J. (2010). Reduced brain white matter integrity in trichotillomania:a diffusion tensor imaging study. Archives of General Psychiatry, 67(9):965–71.
Chamberlain, S.R., Menzies, L.A., Fineberg, N.A., Del Campo, N., Suckling, J., Craig, K., Müller, U., Robbins, T.W., Bullmore, E.T., Sahakian, B.J. (2008). Grey matter abnormalities in trichotillomania: morphometric magnetic resonance imaging study. British Journal of Psychiatry, 193(3):216–21.
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Grant, J.E., Dougherty, D. D., & Chamberlain, S, R. (2020). Prevalence, Gender Correlates, and Co-morbidity of Trichotillomania. Psychiatry Research, 18; 288: 112948
Grachev, ID. (1997). MRI-based morphometric topographic parcellation of human neocortex in trichotillomania. Psychiatry and Clinical Neurosciences, 51(5):315–21.
Keuthen N.J., Altenburger E.M., Pauls D. A. (2014). A family study of trichotillomania and chronic hair pulling. American Journal of Medical Genetics, 165B(2):167–74.
O'Connor, K., Brisebois, H., Brault, M., Robillard, S., Loiselle, J. (2003). Behavioral activity associated with onset in chronic tic and habit disorder. Behavior Research and Therapy, 41(2):241–249.
O'Sullivan, R.L., Rauch, S.L., Breiter, H.C., Grachev, I.D., Baer, L., Kennedy, D.N., Keuthen, N.J., Savage, C.R., Manzo, P.A., Caviness, V.S., Jenike, M.A. (1997). Reduced basal ganglia volumes in trichotillomania measured via morphometric magnetic resonance imagining. Biological Psychiatry, 42(1):39–45.
Roberts, S., O’Connor, K., Bélanger, C. (2013). Emotion regulation and other psychological
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Shusterman, A., Feld, L., Baer, L., Keuthen, N. (2009). Affective regulation in trichotillomania: Evidence from a large-scale internet survey. Behavior Research and Therapy, 47(8):637–644.
Uhlmann, A., Dias, A., Taljaard, L., Stein, D., Brooks, S.J., Lochner, C. (2020). White matter volume alterations in hair-pulling disorder (trichotillomania). Brain Imaging and Behavior, 14:2202–2209