Informationen für Angehörige
Was tun, wenn jemand im Umfeld unter BFRBs leidet?
Wenn jemand im eigenen Umfeld unter Skin Picking, Haareausreißen oder anderen BFRBs leidet, sind die drei wichtigsten Dinge, die man tun kann:
1. Sich zu informieren und zu versuchen die Störung zu verstehen
2. Verständnis zeigen und Unterstützung anbieten: Einfach "da sein"
3. Keinen Druck ausüben
Informieren und verstehen
Es ist wichtig zu verstehen, dass Dermatillomanie und Trichotillomanie anerkannte psychische Störungen sind. Unter ihnen zu leiden hat nichts "schlechten Angewohnheiten" oder Schwäche zu tun.
Skin Picking und Haareausreißen sind keine schlechten Angewohnheiten, die einfach unterlassen werden können. Im Gegenteil: Diese Verhaltensweisen nicht kontrollieren/unterbinden zu können, ist Teil des Störung!
Je besser man die Hintergründe der Störungen versteht, desto leichter fällt es auch, das Verhalten und das Leid der Betroffenen zu verstehen.
Die wichtigsten Informationen über die Störungen finden sich auf den jeweiligen Infoseiten: Dermatillomanie und Trichotillomanie und Co.
Für Angehörige ist es oft besonders schwierig nachzuvollziehen, woher die Störung kommt und warum man nicht einfach damit aufhören kann.
Zu der Frage, wie die Dermatillomanie und Trichotillomanie entstehen, werden noch weitere Informationen auf den jeweiligen Infoseiten folgen. Vorab sei aber gesagt, dass erste Studien darauf hinweisen, dass Dermatillomanie und Trichotillomanie auch eine biologische Grundlage haben. Es gibt beispielsweise erste Hinweise auf eine genetische Komponente der Störungen. Darüber hinaus fanden einige Studien Veränderungen in bestimmten Hirnstrukturen sowie abweichende neurobiologische Reaktionsmuster (z.B. in Reaktion auf Hautunebenheiten).
Generell geht man davon aus, dass bei der Entstehung der Störungen biologische und psychische Ursachen eine Rolle spielen.
Behutsam sein
Es ist immer wichtig, behutsam mit seinen Lieben umzugehen, umso mehr wenn der-/diejenige unter BFRBs leidet.
Betroffene schämen sich sehr für ihr Verhalten, sie machen sich Vorwürfe, selbst daran schuld zu sein und versuchen das Verhalten und die Auswirkungen (z.B. Wunden, kahle Stellen) zu verstecken und damit u.a. unangenehmen Fragen zu entgehen.
Unbedachte Fragen wie z.B. "Was hast Du denn da?", "Warum sieht Deine Haut so schlimm aus?", "Hast Du Haarausfall?" bringen Betroffene in höchste Bedrängnis - denn die Angst sich erklären zu müssen, ist riesig!
Wie erklärt man etwas, das man selbst nicht richtig versteht?
Was soll man antworten, wenn man sich dafür schämt?
Wie soll man antworten, wenn man große Angst hat, nicht verstanden, sondern abgewertet und verurteilt zu werden?
Die oben genannten Fragen werden oft gestellt, ohne dass sich die Leute der "Schwere" ihrer Worte bewusst sind. Deshalb ein Wort der Warnung, dass auch jenseits von BFRBs gilt:
Seid vorsichtig und behutsam mit Euren Mitmenschen, vor allem mit persönlichen Fragen. Man kann nie wissen, welches Päckchen jemand mit sich trägt.
Abgesehen davon, dass es nie angenehm ist, auf seine (körperlichen) Unvollkommenheiten angesprochen zu werden.
Wenn man die Vermutung hat, dass jemand im nahen Umfeld unter Dermatillomanie oder Trichotillomanie leidet, sollte man auf keinen Fall mit der Tür ins Haus fallen!
Oft weiß man nicht, ob die Person überhaupt selbst schon einmal von Skin Picking, Hair Pulling, BFRBs, bzw. Dermatillomanie und Trichotillomanie gehört hat - und man möchte helfen, indem man ihnen davon erzählt.
Meist ist es für Betroffene tatsächlich eine große Erleichterung zu erfahren, dass die Sache einen Namen hat und das auch andere darunter leiden. Das Wissen nicht allein mit diesem Problem zu sein, ist wahnsinnig wichtig für Betroffene.
ABER: Man sollte immer im Hinterkopf haben, wie angst- und schambesetzt Dermatillomanie und Trichotillomanie sind!
Betroffene versuchen aus Angst meistens mit allen Mitteln zu verstecken, dass ihre Haut bearbeiten oder Haare ausreißen
und man sollte sich bewusst sein, wie beängstigend es ist, wenn jemand plötzlich darüber Bescheid weiß!
Entsprechend vorsichtig und unaufdringlich sollte man mit dem Thema umgehen. Wie genau man vorgeht, hängt natürlich auch sehr von der persönlichen Beziehung ab!
Oft ist es am besten, wenn man dem-/derjenigen ohne viel Wirbel (vielleicht sogar eher beiläufig) Informationen zukommen lässt - z.B. einen Flyer, eine Internetadresse wie diese hier oder ähnliches.
Man sollte eher darauf verzichten, Personen direkt damit zu konfrontieren - man will sie schließlich nicht in Bedrängnis bringen sich zu erklären oder ihnen einen Vorwurf machen, sondern helfen!
Und dafür ist es wichtig, behutsam, vorsichtig und verständnisvoll mit der Person umzugehen!
Verständnis und Akzeptanz zeigen
Verständnis zu zeigen ist die allergrößte und wichtigste Unterstützung, die man als Angehörige/r bieten kann.
Betroffene haben große Angst vor Abwertung und Ausgrenzung. Sie kämpfen meist alleine, im Stillen und machen sich selbst große Vorwürfe.
Mit am schlimmsten ist es daher, wenn auch von außen der Vorwurf kommt:
- "Warum hörst Du nicht einfach damit auf?!"
- "Wenn Du damit aufhören würdest, würde sich Deine Haut erholen / würden Deine Haare nachwachsen."
- "Du bist selbst schuld, wenn Du es nicht lassen kannst."
Diese Worte sind ein Schlag ins Gesicht und machen es nur schlimmer! Sie helfen nicht, sondern erzeugen nur Druck, Wut, Anspannung und führen oft zu mehr Skin Picking oder Haareausreißen!
Stattdessen ist es am wichtigsten, dass man Verständnis zeigt - selbst, wenn man vielleicht nicht alles zu 100 % nachvollziehen kann. Der Versuch, das Verhalten und seine Hintergründe zu verstehen und sich darüber auszutauschen (vorsichtig!) ist genauso wichtig!
Man könnte beispielsweise sagen:
"Ich weiß, ich kann das nicht völlig nachvollziehen. Aber ich versuche so gut ich kann, dazuzulernen und Dich zu verstehen."
oder
"Es ist ok. Ich weiß, Du kannst nicht einfach damit aufhören. Wenn ich Dich irgendwie unterstützen kann, bin ich da."
Genauso wichtig ist es, deutlich zu machen, dass das Wissen um die Dermatillomanie oder Trichotillomanie nichts an den Gefühlen für die Person ändern. Es ist für Betroffene unglaublich wichtig zu hören und zu spüren, dass sie auch mit der Störung geliebt und akzeptiert werden!
"Das alles ändert nichts daran, was für ein wunderbarer Mensch Du bist und wie wichtig Du mir bist."
Keinen Druck ausüben
Es ist für Angehörige meistens eine schwierige Gratwanderung ihre Lieben mit BFRBs zu unterstützen. Einerseits möchten sie natürlich alles tun, um zu helfen, andererseits übertreten sie damit leicht die Grenze dessen, was tatsächlich hilfreich ist.
Dazu gehören ungebetene Ratschläge oder auch Druck auszuüben, damit der-/diejenige eine Psychotherapie beginnt oder anderweitig Hilfe sucht.
Es ist nicht die Aufgabe von Angehörigen, das Skin Picking oder Haareausreißen zu unterbinden - und es liegt vor allem auch außerhalb ihrer Möglichkeiten!
Auf Kontrollversuche sollte verzichtet werden (z.B. Ermahnungen, wenn das Verhalten gerade auftritt oder Überwachung in irgendeiner Form).
Als Angehörige/r kann man unterstützen und da sein - man kann jedoch nicht die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen für die andere Person treffen!
Stattdessen kann man aber fragen, welche Art von Unterstützung die Person braucht und sich von einem wünscht. Gemeinsam kann man dann einen guten Weg finden, wie mit der Gesamtsituation, aber auch ganz konkreten Situationen am besten umzugehen ist.
Weitere Infos
Viele zusätzlich Informationen zu diesem Thema finden sich auf den Seiten der TLC Founcation for BFRBs (englischsprachig).
Dort gibt u.a. es auch zahlreiche Informationen für Eltern von Kindern mit BFRBs. Darüber hinaus werden manchmal auch Webinare angeboten und es gibt eine Online-Supportgruppe für Eltern (TLC's Parents BFRB Support Group - Online).
Außerdem möchte ich direkt auf zwei Artikel auf der Homepage des TLCs verweisen:
"For Family and Loved Ones"
"Some Advice for Significant Others"